Photocredits Titelbild: ©Interstuhl (Drehstuhl PUREis3)
Kleines Drehstuhl-Einmaleins – It’s all about movement!
In Deutschland gibt es Stand 2022 ca. 18 Millionen Bildschirm- und Büroarbeitsplätze, das sind ca. 50% aller Erwerbstätigen, Tendenz steigend. Sie alle verbindet eine große Gemeinsamkeit: sie verbringen viel Zeit im Sitzen!
Unser menschlicher Körper ist eigentlich für Bewegung gemacht, dauerhaftes Sitzen in immergleicher Pose ist für die Gesundheit nicht förderlich. Moderne Bürodrehstühle versuchen da bestmöglich Abhilfe zu schaffen. In unserem kleinen Drehstuhl-Einmaleins widmen wir uns daher diesen kleinen mechanischem Wunderwerken!
Warum überhaupt Bewegung?
Kurz gesagt benötigt unsere Wirbelsäule ausreichend Bewegung, damit unsere Bandscheiben mit ausreichend Nährstoffen versorgt werden können. Da Bandscheiben nicht durchblutet werden, arbeiten diese ähnlich wie ein Schwamm: zusammengedrückt geben sie verbrauchte Nährflüssigkeit ab, bei Entlastung nehmen sie frische Nährflüssigkeit auf. Viel und regelmäßige Bewegung fördert daher den Stoffwechsel unserer Bandscheiben, einseitige Druckbelastung bei unbeweglichem Sitzen ist dagegen nicht förderlich.
Bewegung trotz Sitzen
Ergonomische Bürostühle ermöglichen “bewegtes Sitzen” und sind deshalb so aufgebaut, dass sie unserem Körper beim Sitzen möglichst viele Freiheitsgrade lassen. Mit “Freiheitsgrad” ist damit im mechanischen Sinn die voneinander unabhängige Bewegungsmöglichkeit in verschiedenen Achsen und Dimensionen gemeint.
Drehstuhl “Asiento” von ©fm Büromöbel
Welches Bauteil ermöglicht welche und wieviele Freiheitsgrade?
In der folgenden Tabelle haben wir zusammengetragen, durch welche Bauelemente bei guten Bürostühlen die gerade angesprochene Bewegungsfreiheit ermöglichen.
Das Prinzip lässt sich sehr gut am Beispiel der vielfach beweglichen Armlehnen in folgendem Video verdeutlichen:
Video ©Interstuhl (Drehstuhl EVERYis1)
| Bauteil | Freiheitsgrade | Beschreibung |
|---|---|---|
| Rollen | 2 (x- und y-Achse) | Der typische Drehstuhl steht auf Rollen. Dies begünstigt die Beweglichkeit in der Fläche entlang der beiden Richtungsachsen (vor/zurück bzw. links/rechts). Bereits wenige Zentimeter Verschiebung mit Hilfe der Rollen ändern das Belastungsprofil für unsere Wirbelsäule und sind damit förderlich für deren Stoffwechsel. Bürodrehstühle mit Rollen sind daher gegenüber Stühlen mit Gleitern klar im Vorteil! |
| Gasdruckfeder | 2 (Höhe + Drehung) | Die Gasdruckfeder übernimmt zwei wichtige Rollen: die Drehbarkeit um die eigene Achse und die Höhenverstellbarkeit bzw. Federungs- und Dämpfungsfunktion. Die Höhenverstellbarkeit ist essentiell, um den Drehstuhl auf die eigene Größe anzupassen. Fehlt diese, ist eine ganz essentielle ergonomische Funktion nicht gegeben. Bürostühle, die zwar drehbar, aber nicht höhenverstellbar sind, sind typischerweise in Besprechungsräumen anzutreffen, für das dauerhafte Arbeiten am Schreibtisch jedoch nicht gemacht. |
| Sitzfläche | 3 (Sitztiefe, Neigung, Kippen) | Die Sitzfläche eines Drehstuhls muss mitnichten starr sein: bei viele Bürostühlen lässt sich die Sitztiefe (also der Abstand zur Rückenlehne) individuell einstellen. In hochwertigen Drehstühlen kommt darüber hinaus eine sogenannte Sitzneigeverstellung zum Einsatz, bei der die Neigung der Sitzfläche um einige Grad verstellt werden kann. Besonders bewegungsfördernd sind Stühle, deren Mechanik auch ein leichtes Kippen nach beiden Seiten ermöglicht – dadurch ist besonders dynamisches Sitzen möglich, von Herstellern gerne als 360°- oder 3D-Mechanik angepriesen. |
| Mechanik | 2 (Kippen, Öffnungswinkel) | Die Mechanik eines Bürostuhls bestimmt die Kipp-Möglichkeiten der Rückenlehne. – Einfache Wippmechanik (Rückenlehne und Sitzfläche starr miteinander verbunden, aber kippbar) – Permanentmechanik: Die Rückenlehne lässt sich gegenüber der starren Sitzfläche nach hinten kippen – Synchronmechnik: Sitz und Rückenlehne neigen sich synchron in einem definierten Verhältnis, d.h. die Sitzfläche neigt sich ebenfalls, allerdings weniger stark als die Rückenlehne. Besprechungsstühle haben in der Regel keine Mechanik und sind daher für das dauerhafte Arbeiten am Schreibtisch nicht geeignet. |
| Rückenlehne | 1 (höhenverstellbar) | Rückenlehnen sind meisten ergonomisch geformt, um unserer S-förmig aufgebauten Wirbelsäule entgegenzukommen. Daher ist es wichtig, die Rückenlehne auf die eigene Körpergröße einstellen zu können, d.h. in der Höhe gegenüber der Sitzfläche verschieben zu können. |
| Lordosen- oder Lumbalstütze | 2 (Höhe, Tiefe) | Zur Unterstützung der S-förmigen Wirbelsäule kommen zudem separat an der Rückenlehne angebrachte Stützelement zum Einsatz – diese sind idealerweise in der Höhe und in der Tiefe (mehr Druck, weniger Druck) einstellbar und lassen sich somit optimal auf die individuellen Bedürfnisse einstellen. |
| Armlehnen | 5 (Breite, Höhe, Tiefe, Schwenkbar, Abklappbar) | Armlehnen sind in punkto Beweglichkeit ein kleines Wunder – Hersteller preisen regelmäßig ihre Armlehnen als 2D-, 3D-, 4D- oder gar 5D-Armlehnen an. Damit sind die folgenden Einstellmöglichkeiten gemeint: – Breite der Armlehne / Abstand von der Sitzfläche – Höhe der Armlehne gegenüber der Sitzfläche – Tiefe der Armlehne / Vor- und Zurückschieben der Armauflage – Schwenkbar / Armauflage im Winkel verstellen – Abklappbar / Wegklappen bzw. nach unten Klappen der Armlehnen |
| Kopfstütze | 2 (Höhe, Neigung) | Falls der Drehstuhl mit einer Kopfstütze ausgestattet ist, kommen in der Regel zwei weitere Freiheitsgrade / Einstellmöglichkeiten dazu: die Höhenverstellbarkeit und der Neigungswinkel der Kopfstütze. |
| Free-Form | x | Einige Bürostuhl-Modelle lassen sich überhaupt nicht in das bis hierhin aufgeführt, doch recht mechanische Konzept pressen. Der Einfachheit halber nennen wir sie hier “Free Form”. Die Bürostühle kommen ohne klassische Mechanik aus und sind beispielsweise aus einem Stück Kunststoff gefertigt. Ihre Flexibilität und Beweglichkeit erhalten sie aufgrund der Federkräfte der Kunststoffstruktur – als Resultat entstehen dadurch in sich verdrehbare Rückenlehnen etc. |
Gesamt | 19 Freiheitsgrade | |
